Mit einem kleinen Team setzt Nermin Dizdarevic den Fernwärmenetzausbau bei den St.Galler Stadtwerken um. Als Gesamtprojektleiter plant und koordiniert er die Baustellen und schliesst Häuser nachträglich an das Fernwärmenetz an. Dafür ist er manchmal sogar nachts unterwegs.
Nermin Dizdarevic beugt sich über die Baustellenabsperrung und blickt in die Grube an der Martinsbruggstrasse in St.Gallen. Während die Bauarbeiter die Grube am anderen Ende weiter ausheben, faltet er den Bauplan auseinander und vergleicht ihn mit der Baustelle. Zwei Leitungen liegen bereits auf dem Grund, durch sie soll bald das aufgeheizte Wasser des Kehrichtheizkraftwerks St.Gallen hindurchfliessen und die angeschlossenen Haushalte mit Raumwärme und Warmwasser versorgen. Nermin Dizdarevic ist Gesamtprojektleiter der Fernwärme bei den St.Galler Stadtwerken. Er ist zuständig für die Planung, Koordination und Ausführung des Fernwärmenetzausbaus und nachträglicher Hausanschlüsse.
Seine Arbeiten erledigt er nicht nur im Büro. «Fast jeden zweiten Tag bin ich hier vor Ort und schaue nach dem Rechten», sagt Dizdarevic. Er überprüft die Baufortschritte, bespricht mit den verschiedenen Bauunternehmen das weitere Vorgehen und kontrolliert das Material – schliesslich sollen die Leitungen mindestens die nächsten 50 Jahre unter der Erde bleiben.

Röntgenbild und Druckprobe
Dizdarevic zeigt auf die nächste Kreuzung der Martinsbruggstrasse: «Wir verlegen die Fernwärmeleitung auf einem Strassenabschnitt von etwa 300 Metern, öffnen aber nur 80 bis 100 Meter auf ein Mal.» Auf dem Trottoir neben der Grube stapeln sich die 12 Meter langen, isolierten Fernwärmerohre, Verbindungsstücke und Leitungsunterlagen. Alle paar Minuten fährt ein Bus über die einseitig befahrbare Strasse. Es ist eng, die Bauarbeiter haben auf der Quartierstrasse nur wenig Platz. Mit diesem abschnittsweisen Vorgehen sollen die Einschränkungen für Zufahrten oder den Verkehr möglichst gering gehalten werden, so Dizdarevic.
Die Fernwärme ist im Vergleich zur Strom-, Gas- und Wasserversorgung eine sehr junge Abteilung.
Die Baugrube bleibt pro Etappe etwa vier bis sechs Wochen offen, denn die Verlegung der Leitungen ist aufwendig. Die Rohre werden im Graben zusammengeschweisst. Dizdarevic steigt in den Graben hinunter und zeigt auf eine Schweissnaht. «Jede Naht wird geröntgt, um zu kontrollieren, ob sie dicht ist.» Die Druckprobe mit Wasser folgt als weiterer Test. Vor dem Einsanden des Grabens werden die Rohre zudem auf 80 Grad vorgeheizt und damit thermisch vorgespannt. «Dadurch finden nach dem Anschluss an das Fernwärmenetz nur noch kleinere Verschiebungen im Erdreich statt», erklärt Dizdarevic. Denn bald fliesst durch die Zulaufleitung 80 bis 130 Grad warmes Wasser, bei der Rücklaufleitung ist es 55 Grad.
Kleines Team verdichtet das Netz
Sein Fachwissen über das Fernwärmenetz hat sich der 43-Jährige in den vergangenen elf Jahren angeeignet. Dizdarevic arbeitet seit 2008 bei den St.Galler Stadtwerken. Zuerst erstellte der gelernte Bauzeichner während vier Jahren Baupläne für Gas- und Wasserleitungen. Nach der Weiterbildung zum diplomierten Techniker HF Tiefbau wechselte er zur Abteilung Fernwärme, seit zwei Jahren ist er dort Gesamtprojektleiter. «Die Fernwärme ist im Vergleich zur Strom-, Gas- und Wasserversorgung eine sehr junge Abteilung», sagt der Fachmann. Seit die Fernwärme in Betrieb ist, also seit 1986, habe man sich aber ein grosses Know-how aneignen können.
Der Kehricht der Stadt und der Region wird im Kehrichtheizkraftwerk (KHK) im Sittertobel verbrannt. Durch die Verbrennung entsteht Dampf, mit dem Wasser auf 80 bis 130 Grad aufgeheizt und auch Strom produziert wird. Über ein gut isoliertes Leitungsnetz wird das heisse Wasser zu den angeschlossenen Haushalten und Betrieben transportiert. Die Energie wird über Wärmetauscher an das interne Heizungssystem und an die Warmwasserversorgung abgegeben. Danach fliesst das auf etwa 55 Grad abgekühlte Wasser wieder zu einer Fernwärmezentrale zurück. Dort wird es erneut aufgeheizt und der Kreislauf schliesst sich. Fernwärmezentralen liefern zum Abdecken von Spitzenlastzeiten zusätzlich Energie und tragen zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit bei.
Ein kleines Team aus drei Mitarbeitenden verdichtet das Fernwärmenetz Schritt für Schritt. «Die Nachfrage ist stark angestiegen und viele Häuser werden nachträglich an das Fernwärmenetz angeschlossen», sagt Dizdarevic – auch diese Baustellen plant und koordiniert er. «Gleichzeitig schreitet der Ausbau voran.» Dizdarevics Aufgabe ist es, den Überblick zu behalten.
Ob bei der Ausführung oder Planung: Bei ihm laufen die Fäden zusammen. Es sei auch herausfordernd, den verschiedenen Ansprüchen von Anwohnenden, Baufirmen und anderen städtischen Werken, die ebenfalls Leitungen verlegen müssen, gerecht zu werden. Aber Dizdarevic sagt: «Es macht mir Spass, mit so vielen, verschiedenen Menschen zusammenzuarbeiten und gemeinsam Lösungen zu finden.» Zudem könne er sich die Arbeit selbständig einteilen und sei viel draussen unterwegs, sagt er und lenkt sein Fahrzeug Richtung Brauerei Schützengarten. Bei der St.Jakob-Strasse wird gerade ein Haus nachträglich an das Fernwärmenetz angeschlossen.
Arbeiten in der Nacht
«Es ist eine kleine Baustelle, die es in sich hat», sagt Dizdarevic. Denn für den Hausanschluss muss die stark befahrene St.Jakob-Strasse gequert werden. Um die Leitungen sicher verlegen zu können, sind Nachtarbeiten nötig. So auch an diesem Abend. Punkt 21 Uhr trifft sich das Bauteam, auch Dizdarevic ist als Bauleiter vor Ort. Die Grube ist bereits ausgehoben und mit schweren Stahlplatten zugedeckt. Innert Kürze hebt ein Bagger die Stahlplatten auf die Seite und die Bauarbeiter legen die zwei Rohre in die Grube. Der Verkehr wird in dieser Zeit auf eine Fahrbahn umgeleitet.
«Am nächsten Tag stehen die Schweissarbeiten an. Dann werden die Leitungen mit einer speziellen Anbohrtechnik ohne Betriebsunterbruch an das Netz angeschlossen», erklärt Dizdarevic. Die Installation im Haus bis zur Übergabestation übernimmt dann ein anderes Team der St.Galler Stadtwerke. Doch für heute ist die Arbeit erledigt: Die Stahlplatten liegen wieder über der Baugrube und beide Fahrbahnen sind für den Verkehr freigegeben. Ein letzter Kontrollblick in die Baugrube, Dizdarevic ist zufrieden.
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