Seit sechs Jahren setzt sich der Verein «Sauberes Wasser für das Volk» für den Bau von Brunnen und sanitären Anlagen in Kambodscha ein. Dank Spenden – auch aus dem «Wasser-Rappen»-Fonds der Stadt St.Gallen – konnten bereits rund 500 Wasserstellen realisiert werden. Doch der Bedarf bleibt gross.
Siem Reap ist eine Provinz im Norden Kambodschas und liegt etwa fünf Autostunden von der Hauptstadt Phnom Penh entfernt. Hier lebt Kurt Stüssi. Seit sechs Jahren baut der gebürtige St.Galler zusammen mit Einheimischen Brunnen und Toiletten für die Ärmsten der Region. Mittlerweile konnten sie annähernd 500 solcher Wasserstellen an die ärmsten der armen Familien übergeben. «Die Freude und Dankbarkeit der Menschen ist so gross, dass mir heute noch bei jeder Übergabe die Tränen kommen», sagt Stüssi per Videocall. Finanziert werden die Bauten durch Spendengelder, welche über den Verein «Sauberes Wasser für das Volk» neues Fenster gesammelt werden.
Den Verein hat er zusammen mit seinem Schwager Kurt Lieberherr, der mit seiner Frau und Kurt Stüssis Schwester Ursula in St.Gallen wohnt, 2019 gegründet. «Ich habe in meinem Leben viel Glück gehabt und möchte gerne etwas zurückgeben», so der 76-Jährige. In den Jahren 2020 und 2023 erhielt der Verein aus dem Fonds «Wasser-Rappen» der Stadt St.Gallen 10'000 respektive 20'000 Franken. «Diese Spenden haben uns riesig gefreut.» Dank dieser Unterstützung konnten insgesamt 75 weitere Wasserstellen gebaut und zahlreiche Familien mit sauberem Trinkwasser versorgt werden.
Zwei Drittel ohne sauberes Trinkwasser
Sauberes Trinkwasser für alle – dieses Ziel verfolgt die Stadt St.Gallen seit 2020 mit dem Fonds «Wasser-Rappen». Als «Blue Community» unterstützt sie damit weltweit Projekte, die den Zugang zu sauberem Wasser ermöglichen. Über 1'900 St.Galler Haushalte leisten bereits einen freiwilligen Beitrag und helfen so, nachhaltige Wasserversorgungsprojekte zu realisieren. Möchten auch Sie spenden? Hier geht es zum Anmeldeformular neues Fenster.
Die St.Galler Stadtwerke sind für die Verrechnung des «Wasser-Rappens» zuständig: Die Beiträge werden über die Energierechnung eingezogen und einmal jährlich gezielt an Hilfsorganisationen vergeben.
Für Projekte und Organisationen, die Unterstützungsbeiträge aus dem Wasser-Rappen-Fonds beantragen möchten, hat die Stadt St.Gallen unter stadtsg.ch/wasser-rappen neues Fenster ein Formular aufgeschaltet.
Kambodscha gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Das durchschnittliche Jahreseinkommen der Menschen beträgt 1800 Dollar. Gemäss Unicef haben zwei Drittel der rund 17 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser und anderen sanitären Anlagen. Das Wasser holen sie sich aus offenen Wasserstellen, die weit von ihrem Wohnort entfernt und meist stark verschmutzt sind. Das ist körperlich anstrengend und zeitaufwändig. Verunreinigtes Trinkwasser und mangelnde Hygiene sind zudem die Hauptursachen für Durchfallerkrankungen, die Kindern unter fünf Jahren oft auch das Leben kosten. Durchfall ist laut Unicef für ein Fünftel der Todesfälle in Kambodscha verantwortlich.
«Sauberes Trinkwasser ist überlebenswichtig», sagt Stüssi. «Mit unserem Verein wollen wir dazu beitragen, dass die Menschen hier von diesem grundlegenden Menschenrecht profitieren können.» Dafür bauen sie einerseits Wasserstellen mit Brunnen und stellen Hühner, Moskitonetze und ein Lebensmittelpaket bereit. Andererseits erstellen sie sanitäre Anlagen bestehend aus Steh-Toiletten, Abwassertanks und Wasserbehälter für die persönliche Hygiene. «Für den Brunnen wird von Hand ein etwa 30 Meter tiefes Loch in die Erde gebohrt, um an das Grundwasser zu kommen. Dieses ist auch während der Trockenzeit verfügbar.» Jeder Brunnen wird zusätzlich mit einem Biosand-Filter ausgestattet, um das Grundwasser in Trinkwasser-Qualität aufzubereiten. Durch den Zugang zu sauberem Wasser können die Einwohnerinnen und Einwohner auch Tiere, vorwiegend Hühner, halten. «Sie sind eine wichtige Nahrungs- und Energiequelle, da viele Menschen unter Proteinmangel leiden.»
Eine solche Wasserstelle samt Toilette hätten sie kürzlich für einen Vater, der mit seinem sechsjährigen Sohn in einer Baracke wohnt, bauen können. «Die beiden hatten kein Wasser und keine Elektrizität», erzählt Stüssi. «Sie nutzten das Gebüsch als WC, was gerade nachts in der Regenzeit mit den vielen Schlangen gefährlich ist.» Zudem hatte der Vater, der als Koch in einem Hotel arbeitete, mit dem Tourismus-Einbruch nach Covid seinen Job verloren. «Jetzt züchtet er Enten und Hühner und hat dadurch auch wieder eine kleine Einnahmequelle.»
Wasser-Rappen – kleiner Beitrag, grosse Wirkung
Über 2 Milliarden Menschen weltweit haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Mit dem Wasser-Rappen unterstützt die Stadt St.Gallen verschiedene Hilfsorganisationen dabei, die Wasserversorgung für betroffene Menschen zu verbessern. Helfen auch Sie mit.
«Etwas Sinnvolles machen»
Vor Ort wird Kurt Stüssi von einem kleinen Team unterstützt, das ihm sowohl bei der Umsetzung der Projekte als auch beim Kontakt mit Einheimischen und Behörden hilft. «Ich spreche mehrere Sprachen wie Koreanisch und Thailändisch, aber leider kein Khmer, die Amtssprache Kambodschas», sagt er. Den St.Galler hat es vor 25 Jahren nach Asien gezogen. Als Einkaufsleiter eines Telekommunikationsunternehmens reiste er viel und besuchte Länder wie Korea, Thailand, Malaysia und die Philippinen. In Kambodscha begegnete er – mittlerweile pensioniert – einem Australier, der Brunnen für die Ärmsten des Landes baute. Als dieser das Projekt aus gesundheitlichen Gründen aufgeben musste, ergriff Stüssi die Chance, etwas «Sinnvolles zu machen». Er übernahm das Projekt, liess sich in Kambodscha nieder und gründete den Verein «Sauberes Wasser für das Volk».
In der Schweiz ist er noch selten, hält aber engen Kontakt mit seiner Schwester und dem Schwager, der den Verein präsidiert. Trotz seiner Parkinson-Krankheit kümmert sich Stüssi um die Arbeiten vor Ort. «Es gibt gute und schlechte Tage», sagt er, «aber solange ich mag, mache ich weiter.» Für das Fundraising in der Schweiz ist der Vereinspräsident zuständig. Zu Beginn waren es vor allem Familienmitglieder und Freunde aus St. Gallen, die den Verein finanziell unterstützten, und nach einem halben Jahr konnte bereits das 100. Projekt umgesetzt werden. Mittlerweile hat sich der Kreis der Spenderinnen und Spender vergrössert und geht über die Schweiz hinaus. «Bisher hat der Verein rund 200'000 Franken Spendengelder erhalten», sagt Vereinspräsident Kurt Lieberherr. «Damit konnten wir über 500 Projekte realisieren und rund 10’000 Menschen den Zugang zu sauberem Trinkwasser ermöglichen.»
Ansteckende Begeisterung
Kurt Lieberherr, seine Frau Ursula und Vorstandskollege Mario Stäheli, die alle bestens vernetzt sind in der Stadt St.Gallen, mussten damals nicht zwei Mal überlegen, als sie angefragt wurden, Kurt Stüssis Engagement zu unterstützen. «Es ist ein grossartiges Projekt», schwärmt Mario Stäheli, «und Kurts Begeisterung ist ansteckend.» Zudem seien sie inzwischen pensioniert und hätten Zeit, sich ehrenamtlich zu engagieren. «Es macht Spass und gibt einem ein Gefühl der Erfüllung», ergänzen Ursula und Kurt Lieberherr. Den Dreien ist es wichtig zu betonen, dass ihre Arbeit vollumfänglich freiwillig ist. «Wir erhalten weder Lohn noch eine Spesenentschädigung», sagt Mario Stäheli. «Das gesamte Geld kommt den Projekten zugute.»
400 Franken kostet der Bau einer Wasserstelle, 300 Franken eine sanitäre Anlage. Im Gegenzug erhalten die Spenderinnen und Spender ein Abschluss-Protokoll mit Standort-Daten, eine persönliche Verdankung, eine Bestätigung für den Steuerabzug und auf Wunsch ein etwa dreiminütiges Video der Projektübergabe. «Wir freuen uns über jede Spende – egal, wie hoch sie ist», sagt der Vereinspräsident. «Wir möchten noch viele weitere Wasserstellen bauen.» Der Bedarf bleibt gross. «In der Provinz Siem Reap gibt es noch immer Tausende, die keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben», sagt Kurt Stüssi. Besonders berührend sei es, wenn 70-jährige Menschen zum ersten Mal in ihrem Leben frisches Wasser aus einer sicheren Quelle schöpfen können.

