Nur wenige kennen die elektrische Versorgung der Stadt so gut wie er: Matthias Fässler leitet seit fünf Jahren das Ressort Leitungsprojekte Netz Elektrizität der St.Galler Stadtwerke. Als grösste Herausforderung sieht er die Energiewende.
Was ist Ihre Aufgabe als Ressortleiter Leitungsprojekte Netz Elektrizität?
Ich bin verantwortlich für etwa 100 Projekte, die zurzeit bei uns im Ressort bearbeitet werden. Dabei ist meine Hauptaufgabe, die Übersicht zu behalten, alle Abhängigkeiten zu berücksichtigen und zwischen den verschiedenen Partnern zu vermitteln. Die Details werden mehrheitlich von den Projektleitern ausgearbeitet, grössere und komplexere Projekte landen bei mir. Meine fünf Mitarbeitenden und ich projektieren alle elektrischen Leitungen auf Stadtgebiet. Wenn beispielsweise ein neues Haus gebaut und Strom benötigt wird, klären wir ab, wie die elektrische Versorgung in diesem Gebiet aussieht: Wo befinden sich die Leitungen? Müssen neue verlegt oder können allenfalls bestehende genutzt werden? Ausserdem beteiligen wir uns regelmässig an Studien, um das gesamte Leitungsnetz weiterzuentwickeln. Damit auch in Zukunft die elektrische Versorgung in der Stadt sichergestellt ist.

Matthias Fässler ist gelernter Netzelektriker. Nach der Ausbildung arbeitete der heute 40-Jährige für eine Firma in der Innerschweiz und war während sechs Jahren auf Montage in verschiedenen Ländern in Europa, im Nahen Osten, in Nordafrika und den USA. 2009 hatte er genug vom Herumreisen und kehrte in die Heimat zurück. Er stieg bei den sgsw als Monteur ein und bildete sich in der Folge weiter zum Netzfachmann und dann zum diplomierten Netzelektrikermeister. Als die Leitung im Ressort Leitungsprojekte Netz Elektrizität frei wurde, nutzte er die Chance, ins Büro zu wechseln. Matthias Fässler ist verheiratet und hat eine vierjährige Tochter. Er lebt mit seiner Familie in einem Haus mit Garten in Appenzell. In seiner Freizeit sammelt er Pilze, ist gerne in den Bergen, mit dem E-Bike oder auf seinen Tourenskis unterwegs.
Mit welchen Projekten sind Sie zurzeit beschäftigt?
Aktuell betreue ich zwei grössere Projekte: Das eine ist das Mittelspannungsprojekt MS Bruggen, das andere die Hochspannungsleitung in der dritten Röhre der Stadtautobahn. Im Gebiet Bruggen müssen die Mittelspannungskabel gemäss unserer Leitungsnetzstrategie angepasst werden, damit das Netz künftig optimal ausgelastet werden kann. Das heisst: Wir erstellen einen Plan, wo und wann gewisse Leitungen ausgewechselt werden müssen. Die Umsetzung des Projekts startet im August 2023. Bis Ende Jahr sollte es dann abgeschlossen sein. Beim Autobahn-Projekt ist die Planung ebenfalls weit fortgeschritten. Es geht darum, dass in der neuen dritten Röhre bereits eine elektrische Leitung in Betrieb sein muss, wenn die zweite saniert wird. Das Projekt ist sehr komplex und es müssen viele Anspruchsgruppen berücksichtigt werden. Für mich ist das Ganze sehr interessant, da ich früher selbst solche Hochspannungsleitungen montiert habe.
Sie haben vor fünf Jahren von der Arbeit draussen ins Büro gewechselt. Wie profitieren Sie heute von Ihrer früheren Tätigkeit?
Als gelernter Netzelektriker war ich jahrelang auf Montage. Ich weiss, welche Umsetzungen in der Praxis Sinn machen und welche nicht. Aufgrund meiner Erfahrungen projektiere ich sicherlich praxisnahe und verstehe die verschiedenen Anspruchsgruppen besser.
Wir müssen herausfinden, wie sich das Bedürfnis nach Strom in Zukunft in gewissen Gebieten entwickelt.
Mit welchen Herausforderungen sehen Sie sich aktuell konfrontiert?
Die Energiewende ist das grosse Thema. Wir bereiten uns so gut wie möglich darauf vor. Wir müssen herausfinden, wie sich das Bedürfnis nach Strom in Zukunft in gewissen Gebieten entwickelt. Das ist nicht einfach. Bei unserer Planung stützen wir uns auf fachliche Studien, Richtpläne der Stadt und Erfahrungswerte. Sicher ist, dass das Stromnetz mehr gefordert sein wird, weil es immer mehr Photovoltaik-Anlagen, E-Ladestationen und Wärmepumpen gibt. Eine weitere Herausforderung ist der beschränkte Platz, den wir für die elektrischen Leitungen haben. Das Stromnetz wird ausgebaut, die Gehwege, in deren Untergrund sich die Leitungen befinden, bleiben gleich breit.
Wie wird sich das elektrische Netz und Ihre Arbeit in Zukunft verändern?
Der Bedarf an Elektrizität wird grösser, deshalb müssen auch die Leitungen leistungsfähiger sein. Künftig werden vor allem in ländlichen Gebieten und dort, wo es sich wirtschaftlich lohnt, noch mehr Freileitungen in den Boden verlegt. Jene Leitungen, die sich bereits im Boden befinden, müssen durch grössere ersetzt werden. Der Stromfluss ist komplexer geworden. Früher ging es vom grossen Kraftwerk direkt zum Haushalt, heute gibt es zusätzlich kleinere Kraftwerke, die die Stromflussrichtung beeinflussen. Zudem steigen die Ansprüche der Bevölkerung. Und da sehe ich es auch als eine meiner Aufgaben, die Bedürfnisse der Bevölkerung, der verschiedenen Werke und des Tiefbauamts zu koordinieren. Meine langjährige Erfahrung draussen im Graben kommt mir da sicherlich zugute.
