Nachhaltige Wärme für eine ganze Siedlung – doch welche Technologie ist die beste? Der Wärmeverbund Ramsenstrasse in St.Gallen, den die St.Galler Stadtwerke gemeinsam mit der Siedlungsgenossenschaft Hinterberg verwirklicht haben, setzt auf Erdsonden und Wärmepumpen.
Welche erneuerbare Heizenergie ist die beste für unsere Siedlung?
Diese Frage galt es für die Siedlungsgenossenschaft Hinterberg an der Ramsenstrasse in St.Gallen zu klären. Viele der Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer hatten den Wunsch, die zentrale Ölheizung aus den 1970er-Jahren und die vielen dezentralen Elektro-Speicher-Heizungen durch eine klimafreundliche Technologie zu ersetzen. Einige hatten schon individuelle Lösungen realisiert, die aber nur bedingt überzeugten. «Unsere Analyse ergab, dass für einige Gebäude der Siedlungsgenossenschaft eine dezentrale erneuerbare Lösung nicht möglich ist», so Beat Fausch, Wärmeberater bei den St.Galler Stadtwerke (sgsw) und von Anfang an im Projekt dabei. «Das Quartier kann beispielsweise nicht an das Fernwärmenetz angeschlossen werden, da es in einem Gebiet liegt, das weder heute noch in Zukunft mit städtischer Fernwärme erschlossen wird.»
Auch eine Gaszuleitung unter der Eisenbahnlinie hindurch war aus Sicherheitsgründen nicht wirtschaftlich machbar. Und für die Realisierung von dezentralen Erdsonden reichten die Parzellengrössen häufig nicht aus. Im Rahmen eines Gesamtkonzepts aus Gebäudemodernisierung und Wärmeversorgung zeigte sich, dass eine gemeinsame Anlage mit Erdsonden und Wärmepumpen hier das Optimum war. «Mit diesem Wärmeverbund hatten wir nicht nur für jede einzelne Partei, sondern für das ganze Quartier die sinnvollste Lösung gefunden», so Projektentwickler Fausch.

Der Wärmeverbund Ramsenstrasse war ein komplexes Projekt. Dass eine gemeinsame und erneuerbare Lösung realisiert werden konnte, ist umso erfreulicher.
Die beste Lösung ist gemeinschaftlich
Nach der Analyse erstellten die sgsw die konkrete Projektplanung. Diese umfasste sowohl die technischen Möglichkeiten, als auch die finanziellen und vertraglichen Optionen. Um möglichst zeitnah alle Beteiligten zu informieren, veranstalteten die sgsw insgesamt drei Info-Treffen für die Genossenschafterinnen und Genossenschafter. «Bei einem Projekt dieser Komplexität ist das ein Muss», sagt Beat Fausch. Der Wärmeverbund Ramsenstrasse war auch für die sgsw aussergewöhnlich. «Wir hatten mit den Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer insgesamt 17 Ansprechpersonen, das bedeutet auch 17 verschiedene Ansprüche und Bedürfnisse.» Alle Beteiligten ins Boot zu holen war noch aus einem anderen Grund wichtig: Damit sich die Investition rechnete, mussten alle Eigentümerinnen und Eigentümer der drei Hausreihen vom Vorhaben überzeugt sein.
Leichter gesagt als getan. Denn aufgrund der schlechten Erfahrungen mit dem gemeinsamen Ölheizungsverbund aus den 1970er-Jahren waren vor allem langjährige Mitglieder der Genossenschaft skeptisch. «Nie wieder etwas zusammen!» sei der Grundtenor gewesen, erinnert sich Genossenschaftspräsident Bruno Broder. «Es brauchte viel Überzeugungsarbeit, um zu zeigen, dass die Gründe, die damals zum Austritt aus dem Verbund geführt haben, nun mit dem neuen Wärmeverbund nicht mehr bestehen.» Besonders heikel sei es gewesen, da eine sogenannte Reihenabhängigkeit bestand. Das heisst, wenn auch nur zwei Parteien in einer Häuserreihe nicht mitmachen, kann die ganze Reihe nicht wirtschaftlich erschlossen werden.
Durch den intensiven Dialog mit den Parteien konnten jedoch nach und nach alle Vorbehalte ausgeräumt werden. Entscheidend waren neben dem ökologischen Aspekt der fixe Investitionsbetrag pro Haus sowie der Betrieb und die Verrechnung der pro Liegenschaft bezogenen Energie durch die sgsw. Garantiert wurde zudem die Wärmeleistung für Heizung und Warmwasser, und zwar mit individueller Abrechnung ohne zusätzliche Kosten. «Die Vorteile waren so klar, dass sich sogar ein Hauseigentümer anschloss, der bereits eine eigene Erdsonde hatte», erinnert sich Marco Ender, Vize-Präsident der Genossenschaft und Mittler zwischen den Mitgliedern und den sgsw.
Doch nicht alle, die mitmachen wollten, konnten dies auch. Projektentwickler Fausch: «Eine im Rahmen des Vorprojekts erstellte Kostenschätzung hat ergeben, dass die Unterquerung von Strassen zur Erschliessung der Nachbarliegenschaften das Projekt so verteuern würde, dass kein konkurrenzfähiger Investitions- und Energiepreis mehr möglich ist.» So hatten die Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer auf der Bergseite der Strasse zwar den Lärm der Bohrungen, mussten für ihre Häuser jedoch eigene Lösungen suchen. «Viele wären gerne dabei gewesen. Die Enttäuschung war dann entsprechend gross», ergänzt Marco Ender, der selbst in der Siedlung wohnt.

Bei uns ist der Genossenschaftsgedanke trotz individuellem Hauseigentum wichtig, so konnten wir – entgegen ersten Widerständen – für immerhin 17 Liegenschaften eine nachhaltige Lösung realisieren.
Die neue Erdsonden-Wärmepumpenanlage nutzt den bestehenden Heizungsraum im Garagentrakt als Zentrale. Die 14 Bohrungen für die Erdsonden erfolgten entlang der Strasse und dem Bahngleis. Die Erdsonden wurden in einem Sondenverteiler zusammengefasst und an die Wärmepumpen angeschlossen. Mit diesen wird die Wärme aus dem Erdreich auf ein höheres Temperaturniveau angehoben, welches für die Bereitstellung von Raumwärme und Brauchwarmwasser verwendet werden kann. Von der Zentrale aus gelangt die Heizenergie über das neu erstellte Wärmenetz in einem geschlossenen System zu den drei Häuserreihen, welche jeweils über das unterste Haus erschlossen wurden. In jedem Haus gibt es eine Heizgruppe, über welche die gewünschte Raumtemperatur individuell eingestellt werden kann. Das Warmwasser wird in einer sogenannten Frischwasserstation erwärmt, die ihre Wärme aus einem Wärmespeicher bezieht. Sollten einmal Probleme bei der zentralen Wärmepumpenanlage oder auch bei den einzelnen Hausstationen auftreten, können die sgsw via Fernzugriff intervenieren und die notwendigen Nachjustierungen vornehmen.

Nachdem die Mitglieder der Genossenschaft grünes Licht für das Projekt gegeben hatten, konnte der Bau beginnen. «Vereinfacht gesagt holen die Erdsonden Wärme aus dem Boden. Das heisst, wenn man mehr Wärme braucht, wie bei 17 Reiheneinfamilienhäusern, braucht es auch mehr Erdsonden», erklärt Bauleiter Thomas Kunz. Insgesamt waren 14 Erdsondenbohrungen entlang der Strasse und dem Trassee der SOB-Bahn nötig. Dabei erreichte der Diamantkopf der Bohranlage eine Tiefe von je rund 260 Metern. Über die Rohrbündel, die in jedes Bohrloch gelegt wurden, gelangt die gewonnene Erdwärme zur zentralen Wärmepumpe, um dann über die Wärmeleitungen an alle angeschlossenen Häuser weiterverteilt zu werden (siehe Info-Box «So funktioniert der Nahwärmeverbund»).
Das ganze Projekt musste auf dem Grundstück der Genossenschaft realisiert werden und konnte nicht, wie der ehemalige Ölheizverbund, von der öffentlichen Strasse her erschlossen werden. «Wir haben sozusagen auf der grünen Wiese gebaut. Und weil es die meiste Zeit regnete, war es eine Schlammschlacht wie beim OpenAir St.Gallen», schmunzelt Kunz. Und ergänzt: «Da das Erdsondenfeld nah am Bahngeleise lag, musste auch die SOB involviert werden. Vor und nach der Bohrung mass ein Geometer, ob sich die Gleise gesenkt haben.»
Der Bau der Anlagen wird von den sgsw bevorzugt an lokale Privatunternehmen vergeben. Beim Wärmeverbund Ramsenstrasse waren insbesondere folgende Partner beteiligt: die Geotherm AG war für die Bohrungen zuständig, von der Hälg & Co. AG kam die Anlagetechnik «und die Bernhard Gartenbau AG sorgte dafür, dass die Umgebung danach fast noch schöner als vorher aussah», so Kunz.

Die sgsw-Fachleute gaben uns die Sicherheit, dass unser Wärmeverbund technisch überzeugt. Und wir haben einen Ansprechpartner, der uns in jeder Phase zuverlässig begleitet.
Win-win-win für Quartier, Stadt und Klima
Das Projekt hat nicht nur technisch Vorbildcharakter. Es zeigt auch gut auf, wie die sgsw Komplexität und Kundenorientierung verbinden: Als alleinige Vertragspartnerin der IG Wärmeverbund Ramsenstrasse übernehmen sie die gesamte Verantwortung von der Analyse über die Bauleitung bis zu Betrieb und Verrechnung. Für die sgsw steht dabei nicht der Gewinn, sondern die Energiezukunft im Vordergrund.
Am 7. September 2021 ging der Nahwärmeverbund Ramsenstrasse erfolgreich in Betrieb. Seitdem profitieren 17 Haushalte und 47 Personen jeden Tag von sauberer und günstiger Erdwärme. Die Investition macht sich in jeder Hinsicht bezahlt:
- Höhere Wirtschaftlichkeit
Mit den sgsw haben die Beteiligten einen unabhängigen Partner für die Abrechnung der Energiekosten. Die Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer erhalten konkrete Verbrauchswerte pro Liegenschaft. Niemand zahlt mehr als er oder sie muss. - Zukunftsstarkes Know-how
Mit dem Nahwärmeverbund Ramsenstrasse haben die sgsw das bisher komplexeste Projekt dieser Art verwirklicht. Die Erfahrungswerte daraus lassen sich auch auf andere Quartiere übertragen. Mehrere ähnliche Projekte wurden abgeklärt, aber (noch) nicht realisiert.
Projektleiter Beat Fausch ist es wichtig zu betonen, dass Erdsonden-Wärmepumpen nicht die Lösung für alles sind: «Mal sind Erdsonden das richtige, wie an der Ramsenstrasse, mal ist der Anschluss ans Fernwärmenetz oder ein Blockheizkraftwerk besser.» Für jedes Projekt die optimale Technologie zu finden, genau das sei der Grund, warum es die Wärmeberatung der sgsw gibt.

Nicht nur die Realisation des Wärmeverbundes liegt in unseren Händen. Dank unserem fachkundigen Betriebspersonal sind wir auch für den Betrieb und Unterhalt der erste Ansprechpartner für die angeschlossenen Parteien.