Damit die Energie aus dem Fernwärmenetz auch in die Häuser kommt und genutzt werden kann, braucht es eine Übergabestation in den angeschlossenen Liegenschaften. Michael Thunemann und seine beiden Mitarbeiter sorgen dafür, dass dieser sogenannte Wärmetauscher immer tadellos funktioniert. In diesem Jahr werden bis zu 70 solcher Anlagen neu in Betrieb genommen.
Michael Thunemann ist an diesem Nachmittag mit seinem Kollegen Sandro Cannavo unterwegs. Die beiden sind auf dem Weg in den Osten der Stadt zu einer Liegenschaft, die vor wenigen Monaten an das städtische Fernwärmenetz angeschlossen wurde. «Wir müssen den Wärmezähler der Übergabestation ausbauen und einen neuen installieren», sagt Michael Thunemann, der bei den sgsw die Gruppe Wärme im Bereich Wärme, Gas und Wasser leitet. Nötig ist dies, weil die Liegenschaft zuvor bereits zum Nahwärmeverbund gehört hat und der Zähler seither in Betrieb ist. «Nach zehn Jahren müssen die Wärmezähler, Rechenwerke und Temperaturfühler an eine eidgenössische Prüfstelle geschickt werden, wo kontrolliert wird, ob sie noch korrekt messen», sagt er. Im Fachjargon wird dies auch als «Eichung» bezeichnet.
Bei der Liegenschaft, einem Mehrfamilienhaus, angekommen, gehen die beiden Männer durch die Tiefgarage in einen kleinen Kellerraum. «Das ist die Fernwärmestation», sagt Thunemann und schaltet das Licht ein. Er stellt den Werkzeugkoffer ab und nimmt ein Dossier hervor. «Darin ist alles Wichtige zur Übergabestation und zum gesamten Fernwärmeanschluss dieser Liegenschaft festgehalten.» Er und sein Kollege machen sich an die Arbeit. Als erstes nimmt Sandro Cannavo die Anlage vom Stromnetz, danach beginnt Thunemann, die Schrauben des Wärmezählers zu lösen.
Verbindung zweier Wärmekreise
Die Fernwärme-Übergabestation ist die Verbindung zweier Wärmekreise: jenem des Fernwärmenetzes und jenem der Verbraucherinnen und Verbraucher. Die Fernwärme der Stadt St.Gallen stammt vor allem aus der Abwärme des Kehrichtheizkraftwerks. Das bis zu 130 Grad aufgeheizte Wasser wird über ein gut isoliertes Leitungsnetz zu den angeschlossenen Haushalten und Betrieben transportiert. Die Übergabestation in der Liegenschaft sorgt dafür, dass die Energie in die vom Verbraucher gewünschte Vorlauftemperatur eingestellt und an das interne Heizungssystem sowie an die Warmwasserversorgung abgegeben wird. Deshalb wird die Station oft auch Wärmetauscher genannt. Danach fliesst das auf etwa 55 Grad abgekühlte Wasser wieder zurück ins Fernwärmenetz. In der Kehrichtverbrennungsanlage oder in einer der Fernwärmezentralen wird es erneut aufgeheizt, und das Ganze beginnt von vorne.
Isolation schützt vor Verbrennung
In der Fernwärmestation der Liegenschaft im Osten der Stadt dreht Thunemann an der letzten Schraube. Ein paar wenige Handgriffe und der Wärmezähler ist ausgebaut. Er prüft die Dichtungen an den Anschlussrohren, holt den neuen Zähler aus der Werkzeugtasche und befestigt ihn mit acht Schrauben und der Hilfe seines Mitarbeiters. Danach kontrolliert der Fachmann, ob die Isolation unter der Abdeckung der Leitungen noch vorhanden ist. «In diesen Rohren fliesst bis zu 130 Grad heisses Wasser und es gibt Liegenschaften, in denen sich die Übergabestation im Veloraum befindet, wo jeder und jede Zugang hat. Da kann schon eine kurze Berührung schwerste Verbrennungen verursachen.» Er selbst hat sich auch schon verbrannt. «Bisher waren es zum Glück nur ganz leichte Verbrennungen», sagt er. Umso wichtiger sei eine gute Isolation.
Mit der Wärmedämmung ist an dieser Übergabestation alles in Ordnung und die Armaturenboxen werden wieder über die Leitungen gezogen und fixiert. Dann wird gespült. Falls wegen des hohen Drucks in den Leitungen etwas Unvorhergesehenes passiert, sind immer zwei Personen vor Ort. Das Wasser fliesst. «Passt», ruft Thunemann, der den Schlauch hält, und sein Kollege schliesst den Kugelhahn wieder. Als nächstes geht dieser zum Stromkasten im Nebenraum und öffnet den Kreislauf. Der Durchfluss ist wieder gewährleistet. Das neue Rechenwerk funktioniert.
Er liebt die Vielseitigkeit
Michael Thunemann arbeitet seit 13 Jahren für die sgsw im Bereich Wärme, Gas und Wasser, und vor gut einem Jahr hat er die Leitung der Gruppe Wärme übernommen. Thunemann und seine beiden Mitarbeiter sind für die Übergabestationen in den ans Fernwärmenetz angeschlossenen Liegenschaften zuständig. Sie richten die Stationen in den Häusern ein, nehmen sie mit den Kundinnen und Kunden in Betrieb und kontrollieren sie regelmässig. Diese Ausseneinsätze sind allerdings nur ein kleiner Teil der Arbeit des 46-Jährigen. Viel Zeit verbringt der gelernte Sanitär- und Heizungsmonteur, der sich zum Heizwerkführer/Industrie- und Wärmetechniker weitergebildet hat, in seinem Büro und an Sitzungen.
Er führt Besprechungen durch und stellt Montagebewilligungen aus, berechnet Leistungen, schreibt Rechnungen und hält Anlageabnahmen elektronisch fest. «Diese Vielseitigkeit ist das, was mir an meiner Arbeit besonders gut gefällt», sagt er. «Ich bin sowohl drinnen als auch draussen und habe mit den unterschiedlichsten Menschen zu tun.» Dabei meint er nicht nur die Kundschaft, sondern auch Kolleginnen und Kollegen der sgsw. «Wenn in einer Liegenschaft ein neuer Fernwärme-Anschluss geplant ist, sind bei uns verschiedene Abteilungen wie der Leitungsbau, die Produktion oder der Verkauf beteiligt und jeder Bereich ist vom anderen abhängig.» Gibt es irgendwo im Prozess der Erstellung und Inbetriebnahme eines Fernwärme-Anschlusses ein Problem, hat das Auswirkungen auf die verschiedenen Abteilungen. «Eine gute Absprache ist deshalb enorm wichtig.»
In diesem Jahr werden wir zwischen 50 und 70 Wärmetauscher neu installieren und in Betrieb nehmen.
Aktuell über 950 Fernwärme-Anschlüsse
Die Fernwärme spielt eine wichtige Rolle beim Erreichen der Ziele des städtischen Energiekonzepts 2050. Durch jedes Gebäude, das ans Fernwärmenetz angeschlossen wird, reduziert sich der Verbrauch von fossilen Brennstoffen. Bei den sgsw ist die Fernwärmeversorgung ein Erfolgsmodell: Sie wurde in den 1980er Jahren eingeführt und ist seither stetig gewachsen. Die St.Galler Stimmbevölkerung hat Mitte November 2023 der letzten Ausbauphase deutlich zugestimmt. In den nächsten 15 Jahren werden voraussichtlich alle Eigentümerinnen und Eigentümer im künftigen Fernwärmegebiet die Möglichkeit für einen Anschluss erhalten. Aktuell werden mehr als 950 Gebäude mit über 161 Gigawattstunden (GWh) Wärme für Heizung und Warmwasser versorgt. Der Zielwert für die Wärmeproduktion im Jahr 2050 beträgt gemäss städtischem Energiekonzept 2050 rund 320 GWh.
Bis zu 70 neue Anlagen
Bei Michel Thunemann ist der Terminplan an diesem Tag zeitlich eng getaktet. Am Morgen hatte er Besprechungen mit Elektrikern und Heizungsmonteuren bei anderen Übergangsstationen in der Stadt und am späteren Nachmittag, nach dem Austausch des Wärmezählers, folgt ein Treffen mit Nermin Dizdarevic, dem Gesamtprojektleiter Fernwärme der sgsw. Sie besprechen, wo am Haus eines Neukunden die Leitungen, die zur Übergabestation führen, eingezogen werden sollen. «In diesem Jahr werden wir zwischen 50 und 70 solcher Anlagen neu installieren und in Betrieb nehmen», sagt Thunemann, packt seine Werkzeugtasche und löscht das Licht in der Fernwärmestation.