Für die Versorgung in der Stadt St.Gallen ist die digitale Infrastruktur elementar. Mit seinem Team gewährleistet Gino Scotto, Abteilungsleiter für Operational Technology und Security der St.Galler Stadtwerke, stabile Betriebsabläufe. Innovative Projekte wie das «Reallabor Russen» treiben die Automatisierung der Versorgungsnetze zukunftsweisend voran.
Was steht hinter dem Begriff Operational Technology (OT)?
Im Gegensatz zur Information Technology (IT), die Daten verwaltet, betreut die Operational Technology (OT) die physische Infrastruktur. Meine Abteilung kümmert sich um die technische Informatik und stellt die Systembasis für die Steuerung der Versorgungsnetze von Strom, Gas, Wasser und Fernwärme der St.Galler Stadtwerke bereit. Entsprechend betreuen wir Netzwerke, Server und Anwendungen für die Überwachung, Dokumentation und Instandhaltung. Zudem schützen wir diese Systeme vor Übergriffen. Angesichts der zunehmenden Cyberangriffe legen wir darauf ein besonderes Augenmerk.
Mit welchen Herausforderungen sehen Sie sich im Arbeitsalltag konfrontiert?
An erster Stelle steht für uns immer die Versorgungssicherheit, die allen anderen Arbeitsbereichen vorgeht. Deswegen bewegen wir uns in einem Spannungsfeld zwischen operativen Aufgaben und der Weiterentwicklung der technischen Informatik (OT). Die sgsw setzen auf erneuerbare Energien und eine dezentrale Stromerzeugung, etwa durch Photovoltaikanlagen. Dies erfordert neue digitale Schutzstrategien und eine bessere Vernetzung des Energiesystems. Als junger Bereich beschäftigt uns nebst den fachlichen Themen auch die interne Organisationsentwicklung.
An welchen Projekten arbeiten Sie aktuell?
Im Quartier Russen testen wir im Projekt «Reallabor Russen» Konzepte zur Verknüpfung verschiedener Energiequellen (Sektorenkopplung) und zum Engpassmanagement unter realen Bedingungen. Unser Fokus liegt auf der Kombination von Energiequellen, um Engpässe zu vermeiden. Mein Team stellt die Technik bereit, indem wir dieses Quartier an unsere Rechenzentren anbinden und die Server für die Mess-Software bereitstellen. Das Projekt bietet die einzigartige Gelegenheit, neue Technologien zu testen und die Zukunft der Energieversorgung aktiv mitzugestalten.
Im Weiteren machen wir die OT-Infrastruktur mit der Vision «Everything as Code» widerstandsfähiger, indem wir die Einstellungen der Systeme wie einen Programmiercode behandeln, um sie automatisch zu verwalten und anzupassen. Dabei helfen sogenannte «Playbooks», die mit Rezepten vergleichbar sind. Sie beschreiben, mit welchen Zutaten und Arbeitsschritten ein System konfiguriert wird und stellen sicher, dass alles nach Standard funktioniert.
Wie passen Sie sich an technologische Veränderungen an?
Wir setzen auf eine Reihe innovativer Technologien, um unsere Arbeit noch leistungsfähiger zu gestalten und wiederkehrende Tätigkeiten zu automatisieren. In unseren Rechenzentren verwalten wir beispielsweise Ressourcen so, dass wir flexibel auf steigende Anforderungen reagieren können. Wir trennen die Software von der Hardware, was die Nutzung optimiert. Das erreichen wir durch Virtualisierung, bei der eine Software zwischen der Hardware (Server) und dem Betriebssystem (z.B. Windows oder Linux) vermittelt. Diese Trennung sorgt dafür, dass beide Teile miteinander kompatibel bleiben und ein Austausch der Hardware problemlos möglich ist. Der Fernzugriff auf unsere Systeme ist streng geregelt – ähnlich einer Burganlage. Um das zentrale System zu erreichen, muss man sinnbildlich erst den Burggraben überwinden, Wachen passieren und mehrere Tore durchqueren. Ausserdem können wir den Zugang zeitlich beschränken, durchgeführte Aktivitäten aufzeichnen oder Abläufe für den Verbindungsaufbau hinterlegen. Sobald sich ein Benutzer im Netzwerk befindet, prüfen wir jeden Zugriff zusätzlich – nach dem Prinzip: «Wir vertrauen niemandem – nicht einmal uns selbst.»
An erster Stelle steht für uns immer die Versorgungssicherheit, die allen anderen Arbeitsbereichen vorgeht.
Gino Scotto ist seit April 2019 bei den sgsw und hat in dieser Zeit den Aufbau des Bereichs Digitalisierung und Informatik mitgestaltet. Nach seinem Einstieg als Ressortleiter im Bereich Elektrizität und Telecom übernahm er 2023 die Leitung der Abteilung für Operational Technology und Security. Seine Karriere begann mit einer Elektroniker-Lehre, einem Studium der Technischen Informatik sowie einem MAS in Business Process Engineering, das er mit einem CAS in BWL weiterführte. Er sammelte Erfahrung als Elektroniker, Softwareentwickler, Datenbank-Administrator und in der technischen Projektleitung. Mit dieser breiten Expertise sorgt er heute dafür, dass die technischen Systeme der St.Galler Stadtwerke zuverlässig und zukunftsfähig bleiben. Abseits der Arbeit ist er begeisterter Biker und Musikliebhaber.
Tauschen Sie sich im Team nur digital aus?
Auf keinen Fall. Ein lebendiger Austausch auf allen Ebenen ist für unseren Erfolg entscheidend. Neben klaren betrieblichen Prozessen fördern wir bewusst den persönlichen Kontakt, um Missverständnisse zu klären und Ergebnisse zu erarbeiten. Wir setzen auf Eigenverantwortung und Selbstorganisation. Vertrauen fördert die Motivation unserer Fachkräfte. In dieser Dynamik können alle ihre Ideen frei einbringen und weiterentwickeln. Das führt zu gegenseitiger Wertschätzung und einer potenzierten Wechselwirkung von Kreativität und Fortschritt. Auch mit externen Partnern pflegen wir enge Beziehungen, was die Zusammenarbeit deutlich erleichtert und die Arbeitsgemeinschaft zum Wohle der St.Galler Bevölkerung stärkt.
