Monatlich prüft Urs Graber die Wärmepumpen, die Hunderte Wohnungen in der Stadt St.Gallen mit Heizenergie versorgen. Dabei verlässt sich der Fachmitarbeiter Betrieb Energiedienstleistungen der St.Galler Stadtwerke nicht nur auf Messwerte, sondern auch auf seine Sinne.
Urs Graber öffnet die Tür zum Heizungsraum und tritt ein. Trockene Maschinenluft schlägt ihm entgegen. Der Fachmitarbeiter Betrieb Energiedienstleistungen der St.Galler Stadtwerke (sgsw) bleibt vor den Wärmepumpen stehen und atmet ein. Gleichzeitig wandert sein Blick durch den Raum. Er spitzt die Ohren. «Jede Kontrolle beginnt bei mir mit Riechen, Schauen und Hören», sagt der 54-Jährige. Er weiss: Die ersten Minuten des Kontrollgangs sind entscheidend. Dabei verlässt er sich auf seine Erfahrung und sein Gefühl für die Anlagen. Der Fachmann nimmt einen weiteren tiefen Atemzug. Kein beissender Geruch, kein verdächtiger Dampf. Er neigt den Kopf leicht zur Seite und lauscht. Das Surren des Kompressors ist gleichmässig. Kein Klopfen, kein Brummen, nichts also, was auf eine lose Halterung oder einen Schaden hinweisen würde. Langsam geht er um die Wärmepumpen herum, an den Leitungen entlang und prüft mit den Augen, manchmal mit den Fingerspitzen, ob es irgendwo feucht ist. Auch hier nichts. Alles trocken. «Die Anlage läuft ruhig und sauber», sagt er schliesslich.
Monatliche Kontrollgänge
Die drei Wärmepumpen, welche die vier Mehrfamilienhäuser im Osten der Stadt mit Wärme für Heizung und Warmwasser versorgen, sind eine von zwei Anlagen, die an diesem Nachmittag auf Urs Grabers Kontrollliste stehen. Der gebürtige Zürcher Oberländer, der heute in Degersheim wohnt, arbeitet seit acht Jahren für die sgsw, wo er für den Betrieb der Wärmelösungen verantwortlich ist. Dazu gehören Wärmepumpen, Blockheizkraftwerke, Nahwärmeverbunde und die vorgezogenen Fernwärmeanschlüsse. Seine Aufgabe ist es, die Anlagen zu kontrollieren, zu warten und zu optimieren, den Betrieb der Wärmelösungen sicherzustellen sowie den Pikettdienst zu organisieren und die Pikett-Mitarbeitenden zu schulen.
Die Kontrollgänge vor Ort finden monatlich statt. Zu Beginn habe er diese allein gemacht, mit Unterstützung des Projektleiters der Wärmelösungen oder eines Mitarbeiters des Geräteservices, sagt er. Doch mittlerweile ist die Zahl der Wärmepumpen, Blockheizkraftwerke und Nahwärmeverbunde auf Stadtgebiet gestiegen, so dass er sich seit Februar 2025 die Arbeit mit einem Kollegen teilt. Diese besteht aber nicht nur aus Kontrollgängen. «Am Morgen werden zuerst Alarm-Meldungen und Störungen, die auf unserem Leitsystem angezeigt werden, ausgewertet», erzählt er. Je nach dem müssten sie dann zur Anlage vor Ort fahren oder die Störung an die richtige Stelle melden, damit diese behoben werden kann. Danach stehen die üblichen Unterhaltsarbeiten, das Auswerten des Monitorings oder eben die Kontrollgänge auf dem Tagesprogramm.
Wirkungsgrad vor Ort feststellen
Im Heizungsraum der vier Mehrfamilienhäuser steht Urs Graber vor einem metallenen Kasten, der an der Wand hängt. Es ist das technische Herzstück der Anlage, der sogenannte Steuerungskasten. Hier drinnen laufen alle Daten zusammen, die den Betrieb der Wärmepumpen betreffen. Und genau diese Informationen schaut sich der Fachmann nun genauer an. Er liest die Werte des Strom- und des Wärmezählers ab und tippt sie sorgfältig in sein iPhone ein. «So können wir noch vor Ort feststellen, wie hoch der Wirkungsgrad der Wärmepumpen ist», sagt er. Da dies bei jedem Kontrollgang gemacht wird, können allfällige Abweichungen frühzeitig erkannt werden. Solche sind dieses Mal keine zu erkennen. Als nächstes kontrolliert er bei einer der drei Wärmepumpen den Durchflusssensor, der in den vergangenen Tagen ersetzt worden ist. Hierfür schraubt er das seitliche Schutzblech ab und greift mit geübter Hand den kleinen, feinen Schlauch. Auch hier: alles dicht, keine Spur von Leckagen. Urs Graber setzt das Blech wieder an seine Stelle und schraubt es fest. «Das war’s», sagt er, nimmt die Unterlagen in die Hand und den Schlüssel aus dem Hosensack. Er schliesst die Tür und macht sich auf den Weg zur nächsten Anlage.
Es ist schön zu sehen, wie gut die Bereiche Technik, Planung und Betrieb zusammenarbeiten.
«Jeder Tag ist anders»
Urs Graber ist gelernter Heizungsmonteur und hat schon im Lehrbetrieb mit dem Service von Ölfeuerungen begonnen. Bevor er zu den sgsw kam, war er fast 18 Jahre lang als Feuerungsfachmann Öl und Gas auf Industrieanlagen in der ganzen Ostschweiz und dem Tessin tätig gewesen. «Ich war oft auf der Strasse unterwegs und die vielen Pikett-Einsätze wurden im Laufe der Zeit immer anstrengender.» Deshalb entschied er sich für einen Wechsel. «Die meisten Brenner der Fernwärmezentralen habe ich in der Zeit als Feuerungsfachmann in Betrieb genommen oder gewartet», sagt er und fügt mit einem Schmunzeln an: «So hatte ich schon Einblick in die St.Galler Stadtwerke, bevor ich dort anfing.» Und das, was er sah, machte einen guten Eindruck auf ihn. «An meiner Arbeit gefällt mir besonders, dass jeder Tag anders ist. Man weiss nie, welche Störungen auftreten.» Auch die Tätigkeit mit den verschiedenen Leitsystemen sei spannend. Und: «Die Zusammenarbeit in unserem kleinen Team ist hervorragend.» Ausserdem würden Erkenntnisse aus dem Betrieb laufend in die Projekte einfliessen. «Es ist schön zu sehen, wie gut die Bereiche Technik, Planung und Betrieb zusammenarbeiten.»
Wärmepumpen mit geringeren CO2-Emissionen
Die zweite Wärmepumpe-Anlage, die es an diesem Nachmittag zu kontrollieren gilt, liegt im Westen der Stadt und wurde erst vor wenigen Jahren eingebaut. Ihr sind zahlreiche Einfamilienhäuser angeschlossen, welche zuvor mit einer Ölheizung versorgt wurden. «Wärmepumpen beziehen ihre Energie hauptsächlich aus erneuerbaren Quellen. Im Vergleich zu Öl- oder Gasheizungen produzieren sie deutlich weniger CO2-Emissionen», erklärt Urs Graber. Wärmepumpen haben zudem einen höheren Wirkungsgrad, da sie mehr Wärmeenergie erzeugen, als sie an Strom verbrauchen, indem sie zusätzlich Umweltwärme aus der Luft, dem Erdreich oder dem Grundwasser nutzen.
Auch hier hält der Fachmann beim Eintritt in den Heizungsraum einen Moment inne. Er riecht, hört und schaut. «Alles gut», gibt er Entwarnung und setzt seinen Kontrollgang fort, der zwar Routine, aber nie Routinearbeit ist. Die Anlage läuft einwandfrei, es gibt keine Auffälligkeiten an diesem Nachmittag. Wie schon bei der ersten Kontrolle notiert Urs Graber alle relevanten Daten und prüft ein letztes Mal die Anzeigen auf dem Steuerungskasten. Er nickt zufrieden und verlässt den Heizungsraum. Draussen steigt er in sein Auto und macht sich auf den Weg zurück ins Büro, wo die eine oder andere Papierarbeit auf ihn wartet.
