Frühmorgens beginnt für Daniel Tondelli und sein Team vom Leitungsbau des Bereichs Netz Elektrizität und Telecom der St.Galler Stadtwerke (sgsw) der Einzug eines 400 Meter langen Stromkabels. Die grösste Herausforderung ist dabei das 45-Grad-Gefälle. Damit alles nach Plan läuft, sind millimetergenaues Arbeiten, eine gute Kommunikation und starke Maschinen gefragt.
An der Schneebergstrasse herrscht bereits früh am Morgen Betrieb. Der Bereich rund um den Kabelschacht ist mit rot-weissen Bändern und Leitkegeln abgesperrt und auf dem Parkplatz vor dem Schacht steht ein Lastwagen, der auf seinem Anhänger eine grosse, 8,7 Tonnen schwere Kabeltrommel geladen hat. Langsam beginnt sich die Kabelrolle zu drehen und Daniel Tondelli führt das Kabel Stück für Stück in den Schacht, wo es von einem seiner Mitarbeitenden entgegengenommen und weitergezogen wird. Nach ein paar Minuten überlässt er seinen Platz einem weiteren Kollegen, während ein viertes Teammitglied das Drehen der Kabeltrommel überwacht. Daniel Tondelli nimmt sein Funkgerät zur Hand und fragt: «Alles ok?» Sofort kommt eine Antwort zurück: «Alles ok.»
Daniel Tondelli ist Gruppenleiter Leitungsbau des Bereichs Netz Elektrizität und Telecom bei den St.Galler Stadtwerken (sgsw) und an diesem Morgen für das Verlegen eines neuen Stromkabels von der Schneebergstrasse zur Trafostation Mühlenen an der Berneggstrasse verantwortlich. So einfach ist das aber nicht, weist die Strecke doch ein Gefälle von 45 Grad auf. «Das ist tatsächlich die grösste Herausforderung bei dieser Arbeit», sagt der ausgebildete Netzelektriker ohne dabei die Kabelrolle und die Vorgänge im Schacht aus den Augen zu lassen. Für das schwere Kabel, das eine Gesamtlänge von rund 400 Metern misst, kann der Höhenunterschied zum Problem werden. «Ab einem gewissen Gefälle kann das Kabel durch sein Eigengewicht von selbst rutschen», erklärt er. «Dann geht es nicht mehr ums Ziehen, sondern ums kontrollierte Bremsen.» Eine weitere Herausforderung stellt der 90-Grad-Bogen im Bereich der Bernegg-Treppe dar. Damit das Kabel hier gut um die Kurve kommt, braucht es viel Fingerspitzengefühl von den Mitarbeitenden, eine gute Kommunikation und etwas Kabelfett.

Mit Hilfe der Kabelziehmaschine
An der Schneebergstrasse läuft alles nach Plan. Die Kabeltrommel dreht sich langsam und das Kabel verschwindet Zentimeter für Zentimeter im dafür vorgesehenen Schutzrohr. Immer wieder schmiert der sgsw-Mitarbeitende, der das Kabel im Schacht weiterleitet, etwas Fett ans Kabel. «Damit es durch die Schutzrohre gleiten kann», sagt Daniel Tondelli und weist seinen Kollegen an, ein bisschen weniger Fett zu nehmen. Denn: Zu viel Fett kann auch kontraproduktiv sein und dem Kabel unnötig Schwung verleihen. «Auf geraden Rohrtrassen braucht es weniger Fett als bei Bögen oder Richtungsänderungen, da dort die Reibung weniger gross ist.»
Eine klare und gut abgestimmte Kommunikation ist sehr wichtig.
Doch das Kabelfett allein genügt nicht. Unten an der Berneggstrasse, am anderen Ende der Rohranlage, steht Beat Schälle an der Kabelziehmaschine, die das Kabel mit kontrollierter Kraft durch das Rohrsystem zieht. Daniel Tondelli ist per Funk in ständigem Kontakt mit ihm. «Wie sieht es bei dir aus?», fragt er. «Gut», kommt es von Beat Schälle zurück. Doch kaum hat er es gesagt, meldet er sich wieder. Die Maschine habe abgestellt, der Kabelzug sei unterbrochen. Daniel Tondelli reagiert sofort. «Stopp», ruft er seinen Kollegen an der Schneebergstrasse zu und die Kabeltrommel wird gestoppt. Für einen Moment stehen die Arbeiten still. Daniel Tondelli fragt bei Beat Schälle nach, was los sei. «Bei einer Zugkraft von 2,5 Tonnen hat die Maschine abgestellt», sagt er. «Lege einen Keil darunter und versuche es nochmals», rät ihm Daniel Tondelli per Funk, was dieser sogleich macht. «Es funktioniert wieder», tönt es aus dem Funkgerät. Daniel Tondelli gibt die Information seinen Kollegen weiter und die Kabelrolle beginnt sich wieder zu drehen. «Solche kleineren Unterbrechungen kann es immer wieder geben», sagt Daniel Tondelli. «Deshalb ist eine klare und gut abgestimmte Kommunikation sehr wichtig.»
Die Vorarbeiten sind ebenso wichtig
Die Erneuerung der Stromleitung von der Schneebergstrasse zur Trafostation Mühlenen an der Berneggstrasse ist Teil einer Niederspannungs-Netzverstärkung. Auslöser der Massnahme war das Restaurant Falkenburg, das nach seiner Sanierung, die auch eine neue PV-Anlage beinhaltete, einen steigenden Strombedarf anmeldete. «Von der Netzverstärkung profitieren auch weitere Haushalte in der Umgebung», sagt Daniel Tondelli, bevor er sich auf den Weg zu Beat Schälle macht. Das Kabel nähert sich seinem ersten Etappenziel und der Gruppenleiter will vor Ort sein – auch, um seinen Kollegen bei Bedarf zu unterstützen.
Genauso wichtig wie das Einziehen des Kabels sind die Vorarbeiten, die dieses Mal zwei Tage dauerten. «Das bestehende Schutzrohr muss eine bestimmte Dicke haben und frei von Hindernissen sein», so der Netzelektriker. Und dafür mussten er und sein Team das Rohr kalibrieren. Dabei wurde es auf ein genau definiertes Mass kontrolliert. So kann gewährleistet werden, dass das Rohr durchgehend mindestens den Durchmesser des einzuziehenden Kabels aufweist. Danach wurde ein spezielles Zugseil durch das Rohr gesogen. An dieses Seil wurde später das neue Kabel befestigt, welches dann vom Zugseil respektive der Zugziehmaschine durchs Rohr gezogen wird.

An der Berneggstrasse ist es mittlerweile so weit: Die ersten Zentimeter des Stromkabels ragen aus dem offengelegten Rohr. Beat Schälle stoppt die Kabelziehmaschine, während Daniel Tondelli gleichzeitig seine Kollegen an der Schneebergstrasse per Funk anweist, die Trommel anzuhalten. Nach gut einer Stunde ist der erste, etwas heiklere Abschnitt geschafft. Daniel Tondelli ist froh und erleichtert. «Bei solchen Gefällen kann trotz optimaler Vorarbeiten immer etwas Unvorhergesehenes passieren», sagt er. Als nächstes wird das Kabel durch ein weiteres Rohr in Richtung Trafostation Mühlenen gezogen. Auf dieser rund 100 Meter langen Strecke rechnet der Gruppenleiter des Leitungsbaus mit keinen grösseren Schwierigkeiten, da das Gelände in diesem Bereich eben ist. Er wirft nochmals einen Blick in die Baugrube und gibt seinen Mitarbeitenden anschliessend per Funk das Zeichen zum Weiterziehen.