In einigen Gebieten der Stadt St.Gallen ist ein Anschluss ans Fernwärmenetz nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt realisierbar. Dann stellt der Nahwärmeverbund eine sinnvolle Alternative dar. Dies zeigt auch ein Beispiel an der Adlerbergstrasse. Die St.Galler Stadtwerke haben hier einen Nahwärmeverbund initiiert, der bei umliegenden Liegenschaftsbesitzerinnen und -besitzern auf grosses Interesse gestossen ist.
Eine schmale Treppe führt hinab in den Heizungsraum der Liegenschaft Adlerbergstrasse 13. Obwohl es nur wenige Stufen sind, ist die Treppe so steil, dass man instinktiv nach der Wand greift, um Halt zu finden. Die gewölbeartigen Mauern und die niedrige Decke im Eingangsbereich zeugen von der langen Geschichte des Gebäudes, das inzwischen zu einem modernen Wohnheim für Studierende umgestaltet wurde. Im Dezember 2023 konnte es der Universität St.Gallen (HSG) übergeben werden. Im Zentrum des Raumes im Keller steht die Heizung. Sie ist keine gewöhnliche Anlage, sondern das Herzstück eines Nahwärmeverbunds: ein Blockheizkraftwerk (BHKW), das nicht nur das Gebäude selbst, sondern auch drei weitere Liegenschaften in der nahen Umgebung mit Wärme und teilweise auch mit Strom versorgt.
Die St.Galler Stadtwerke (sgsw) haben den Nahwärmeverbund initiiert und auch angrenzende Eigentümerschaften für das Konzept gewinnen können. Thomas Kunz leitet bei den sgsw die Abteilung Energiedienstleistungen. Er war verantwortlich für die Planung, Realisierung und Inbetriebnahme des Nahwärmeverbunds und unterstützte die Eigentümerinnen und Eigentümer bei den Umstellungsarbeiten. Sein Team, bestehend aus erfahrenen Betriebsfachleuten, ist auch weiterhin Ansprechpartner, wenn es um die Instandhaltung und Wartung der Heizungsanlage geht. Seit Dezember 2023 ist der Nahwärmeverbund Adlerbergstrasse in Betrieb. «Wir sind mit dem bisherigen Verlauf sehr zufrieden», sagt Kunz. «Selbstverständlich gibt es in der ersten Zeit immer mal wieder etwas, das optimiert werden muss. Aber die Heizungsanlage läuft rund.»
Ideale Zwischenlösung
Der Nahwärmeverbund ist als Übergangslösung gedacht. Das städtische Energiekonzept 2050 sieht für den Perimeter Adlerbergstrasse-Leimatstrasse einen Anschluss ans Fernwärmenetz vor, welcher jedoch erst nach dem Jahr 2035 realisiert werden soll. Da neben der Sanierung des Gebäudes an der Adlerbergstrasse 13 und des Neubaus an der Leimatstrasse 18 auch die Heizungen in den Häusern an der Adlerbergstrasse 10 und an der Leimatstrasse 8 erneuert werden mussten, entstand die Idee, ein Wärmeverteilnetz aufzubauen und Synergien zu nutzen.
«Mit dem Nahwärmeverbund wählten wir ein System, das mit dem bestehenden Energieplan der Stadt kompatibel ist und sich in den nächsten 10 bis 15 Jahren problemlos an das künftige Fernwärmenetz anschliessen lässt», sagt Kunz. Eine Erdsonden-Wärmepumpe kam aufgrund der hohen Kosten und langfristigen Perspektive von 50 bis 60 Jahren nicht in Frage. «Mit dem Nahwärmeverbund bleibt die Flexibilität erhalten, um in Zukunft mit minimalem Aufwand auf Fernwärme umzustellen.»
Für uns war es beruhigend zu wissen, eine klare Ansprechperson zu haben, die bei Problemen schnell reagieren kann.
Eine Strategie, die auch die Besitzerinnen und Besitzer der Liegenschaften begrüssten. «Vorher haben wir in unseren Häusern mit Gas geheizt», sagt Florian Meier, der die Immobilien Adlerbergstrasse 13 und Leimatstrasse 18 für die Eigentümerschaft verwaltet. «Mit Blick auf die Zukunft war es uns wichtig, nachhaltig zu handeln. Der Nahwärmeverbund in Kombination mit der späteren Anbindungsmöglichkeit ans Fernwärmenetz stellt für uns die ideale Lösung dar.» Ähnlich sieht es Oliver Baer, Verwalter und einer der Eigentümer der Liegenschaft an der Leimatstrasse 8. «Wir hatten uns schon länger Gedanken gemacht, wie wir künftig nachhaltiger heizen können», sagt er. Die Öl-Heizung des Mehrfamilienhauses sei schon älter gewesen und hätte bald erneuert werden müssen. «Am liebsten wäre uns ein Anschluss ans Fernwärmenetz gewesen. Da dies aber aktuell noch nicht möglich ist, sahen wir den Nahwärmeverbund als ideale Alternative, natürlich auch im Hinblick auf eine spätere Integration ins Fernwärmenetz.»
Lassen Sie sich beraten
Wir empfehlen Ihnen, eine Wärmeversorgung im Sinne des Energiekonzeptes 2050 der Stadt St.Gallen zu realisieren. Unser Beratungsteam hilft Ihnen dabei gerne, die passende Wärmelösung zu finden.
Gleichzeitig Wärme und Strom produzieren
Die Heizungsanlage im Keller der Liegenschaft Adlerbergstrasse 13 ist ein kleines Kraftwerk und produziert durch das Prinzip der Wärme-Kraft-Kopplung gleichzeitig Wärme und Strom. «Die Wärme dient zum Heizen der Gebäude und zur Warmwassererzeugung, während der Strom entweder für den Eigenbedarf genutzt oder ins Stromnetz eingespeist werden kann», sagt der Abteilungsleiter Energiedienstleistungen der sgsw. Ein Vorteil des BHKW ist, dass es flexibel Strom produzieren kann – besonders im Winterhalbjahr, wenn Photovoltaikanlagen nur in beschränktem Mass Strom liefern. Zudem können mit Blockheizkraftwerken ohne Effizienzeinbussen Temperaturen von bis zu 80 Grad bereitgestellt werden, was besonders bei Altbauten mit höheren Temperaturanforderungen ideal ist.
Die BHKW-Anlage besteht aus zwei Modulen mit je einem 2,2-Liter-Ottomotor, welche mit Erdgas betrieben werden. Die mechanische Energie jedes Motors wird über eine Kurbelwelle an einen Generator übertragen, der diese in Strom umwandelt. Gleichzeitig wird die Abwärme des Motors über Wärmetauscher zurückgewonnen und in das Heizsystem gespeist. «Der Wirkungsgrad ist mit etwa 95 Prozent hoch», sagt Kunz und ergänzt: «Bei Kohle liegt der Wirkungsgrad bei 50 Prozent, bei Atomkraftwerken nur bei 30 Prozent.» BHKW verursachen durch die gekoppelte Produktion von Strom und Wärme bis zu 40 Prozent weniger CO2-Emissionen als eine getrennte Strom- und Wärmeerzeugung mit Kohlekraftwerken oder Gaskesseln. «Das ist ein massiver Fortschritt in Sachen Effizienz und Klimaverträglichkeit, weshalb das städtische Energiekonzept 2050 den Zubau von BHKW vorsieht.»
Da aktuell ein Fernwärmeanschluss noch nicht möglich ist, sahen wir den Nahwärmeverbund als ideale Alternative, natürlich auch im Hinblick auf eine spätere Integration ins Fernwärmenetz.
Gute Zusammenarbeit
Ein solches Projekt ist für alle Beteiligten eine Herausforderung, da verschiedene Eigentümerschaften mit unterschiedlichen Interessen aufeinandertreffen und Bauarbeiten koordiniert werden müssen. Vor allem Umbauten sind immer schwierig zu planen, da Unvorhergesehenes passieren kann, was sich auf den Zeitplan auswirkt. «Die Treppe im steilen Gelände zwischen einzelnen Gebäuden zu queren, war tatsächlich etwas schwierig», sagt Kunz. «Zudem gab es in diesem Bereich etliche Werkleitungen der Strom- und Gasversorgung, die unterquert werden mussten.» Doch die Zusammenarbeit unter den Eigentümern, den beteiligten Baufirmen und den sgsw habe gut geklappt.
Das findet auch Oliver Baer, Verwalter des historischen Mehrfamilienhauses an der Leimatstrasse 8. Er sagt: «Anfangs stellte die Abstimmung eine Herausforderung dar – es gab Verzögerungen bei den Bauarbeiten. Durch die gute Zusammenarbeit brachten wir das Projekt dann erfolgreich voran.» Für Immobilienverwalter Florian Meier war die Zusammenarbeit «angenehm und lösungsorientiert». Er habe den regelmässigen Austausch und die zusätzlichen Beratungen durch die sgsw, zum Beispiel zur Kostenteilung im Verbund, sehr geschätzt. Alles sei gut vorbereitet gewesen, auch was die Verträge angehe. «Für uns war es beruhigend zu wissen, eine klare Ansprechperson zu haben, die bei Problemen schnell reagieren kann», so Florian Meier.
