Von der Theorie in die Praxis: Der dritte Teil der Serie zum städtischen Energiekonzept 2050 widmet sich der konkreten Umsetzung durch die St.Galler Stadtwerke. Etwa, wie Nahwärme der Nachbarschaft dient, wie Ladestationen für Mietende entstehen oder das Fussballstadion und die Olma Messen Strom erzeugen.
Manchmal stimmt es tatsächlich: Zahlen sagen mehr als Worte. Zahlen wie 1879: Das Gründungsdatum des FC St.Gallen (FCSG), des ältesten noch bestehenden Fussballclubs Kontinentaleuropas. Oder wie 440'000. So viele Kilowattstunden werden benötigt, um Veranstaltungen im kybunpark mit lokal produziertem Solarstrom zu betreiben. Die Energie, die den FCSG im kybunpark ins rechte Flutlicht rückt, stammt vom Stadiondach: Der kybunpark trägt die grösste Anlage für Photovoltaik (PV) St.Gallens und der St.Galler Stadtwerke (sgsw). Bereits bei der Erstellung im Jahr 2015 war sie die grösste Anlage, und ist es jetzt wieder, seit sie Anfang 2025 erweitert und die Spitzenleistung fast verdoppelt wurde. Resultat: über eine Million Kilowattstunden jährlich! Dies entspricht dem Bedarf von knapp 290 Vier-Personen-Haushalten und erklärt, wieso St.Gallen als Solarstadt gilt: Letztes Jahr übertraf der Zuwachs an PV-Anlagen einmal mehr deutlich jene Rate, die nötig ist, um bis 2050 bis zu einem Viertel des Stroms mit Sonnenkraft zu bestreiten – wie im Energiekonzept 2050 der Stadt St.Gallen vorgesehen.
Dieses Energiekonzept 2050 haben wir in Teil 1 neues Fenster unserer Serie vorgestellt: Bis 2050 sollen klimarelevante Emissionen aus dem Energieverbrauch auf null sinken, soll alle Energie CO2-neutral und erneuerbar sein. In Teil 2 neues Fenster ging es um die wesentliche Rolle der sgsw in der Umsetzung. Hier, in Teil 3, zeigen schliesslich konkrete Beispiele, wie die Umsetzung in die Praxis aussieht, sowohl nachhaltig wie wirtschaftlich und mit Versorgungssicherheit. Etwa mit PV im kybunpark. Oder Fernwärme.
Eine Stadt mit Zentralheizung
Die St.Galler Fernwärme ist das Musterbeispiel für die Erfolge der sgsw bei der Umsetzung der Energiestrategie 2050. Ein Fernwärmenetz ist im Prinzip eine stadtgrosse Zentralheizung: Heisswasser fliesst vom Kehrichtheizkraftwerk, bedarfsweise unterstützt von vier Fernwärmezentralen, zu heute bereits fast 21'000 Wohnungen und Gewerbeobjekten. Dort wird die Wärme an Heizung und Warmwasserversorgung abgegeben – und das Wasser fliesst danach abgekühlt durch separate Leitungen zurück. Ein Generationenprojekt, das in den 1980er-Jahren startete und bis 2038 braucht, um alle Liegenschaften im Fernwärmegebiet zu erreichen. Weil fast 42 Prozent des Energiebedarfs auf Heizen entfallen, ist dies ein gewichtiger Hebel zur Zielerreichung. neues Fenster
Nahwärme für die Fernwärme
Doch was macht man, wenn zum Beispiel das Fernwärmenetz noch fern, aber bereits ein Heizungsersatz gefragt ist? Wie das Resultat am Ende aussehen kann, lässt sich im Keller der Adlerbergstrasse 13 studieren. Von dort aus versorgt ein gasbetriebenes Blockheizkraftwerk (BHKW) mit 95 Prozent Wirkungsgrad ein Gebäudeensemble mit Wärme und Strom: der Nahwärmeverbund Adlerbergstrasse neues Fenster. In der Adlerbergstrasse 13 stand eine Komplettsanierung, bei Nummer 10 und Leimatstrasse 8 eine Heizungssanierung und an der Leimatstrasse 18 ein Neubau an.
Thomas Kunz, Projektleiter und Abteilungsleiter Energiedienstleistungen, sagt: «Mit dem Nahwärmeverbund haben wir ein System gewählt, das sich in den nächsten 10 bis 15 Jahren problemlos ans Fernwärmenetz anschliessen lässt.» Nicht nur das: Das BHKW speist im Winter, wenn weniger PV-Strom erzeugt wird, auch Strom ins Netz zurück. Wärme-Kraft-Kopplung lautet das Stichwort und macht Grundsätze der Energiewende greifbar: Das Energiekonzept 2050 setzt sich realistische Ziele, und die sgsw setzen auf pragmatische, ökologisch wie ökonomisch sinnvolle Lösungen. Das «virtuelle Kraftwerk St.Gallen» wird Realität: Energie wird dezentral erzeugt, aber zentral gesteuert. Und die vom Bundesamt für Energie mit dem «Watt d’Or» preisgekrönte Sektorenkopplung St.Gallens wird sozusagen praktisch erlebbar: Die verschiedenen Bereiche werden nicht isoliert, sondern als Gesamtsystem betrachtet. Etwa Strom, Wärme oder Mobilität.
Ladestationen für Mietende
Ein Beispiel für die Zukunft der Mobilität zeigt sich beim Blick in eine Tiefgarage neues Fenster in einer Überbauung im Quartier Russen im Westen der Stadt. Dort wünscht die Eigentümerin, die Wohnbaustiftung Russen, Wallboxen, also Heimladestationen für Elektroautos. Aus gutem Grund: Bereits fährt rund jeder fünfte neue Personenwagen der Schweiz rein elektrisch. Doch die Schweiz ist zu fast 60 Prozent ein Land der Mieterinnen und Mieter: Soll energieeffizientere E-Mobilität Zukunft haben, brauchen Mietende Wallboxen. Eine Investition, die sich auch für Eigentümerschaften lohnt: Ladestationen werden auf dem Immobilien- wie Mietmarkt immer wichtiger. «Die Nachfrage steigt, und wer eine Ladestation im Haus hat, profitiert langfristig davon», sagt Reto Steingruber, sgsw-Verkaufsberater Mobilität.
Doch es gibt auch Hürden: Die Abklärungen sind umfangreich, der bauliche (etwa Zuleitung) und technische Aufwand (etwa Lastmanagement) teils hoch. Das pragmatische sgsw-Angebot: Sie übernimmt das Projekt von der Abklärung bis zur Beauftragung der Installation. Alles aus einer Hand. Mehr noch: Falls gewünscht, betreiben die sgsw die Wallboxen. Eine Win-win-win-Situation. Die Mietenden haben ihre Ladestation, aber die Eigentümerschaft keine Umtriebe und die direkt mit den Mietenden abrechnenden sgsw können die Infrastruktur optimal steuern.
Solarstrom von den Olma Messen
Dann kommt die Energie zum Laden von der Sonne, welche die sgsw übrigens seit 1998 zur Stromerzeugung nutzen. Heute sind PV-Anlagen in St.Gallen Normalität – und der zweite Star neben dem kybunpark sind die Olma Messen: Auf der St.Galler Kantonalbank Halle, die 2023 eröffnet wurde, werden seit letztem Herbst weitere 870'000 Kilowattstunden Solarstrom pro Jahr erzeugt. Das Besondere daran: Diese Anlage aus 7777 PV-Einheiten ist von vier die grösste Solar Community-Anlage neues Fenster der sgsw für alle, die keine eigene PV-Anlage installieren können, aber Solarstrom beziehen wollen. Die Idee: Eine Einheit kostet maximal 300 Franken, wofür die sgsw 20 Jahre lang jährlich 100 Kilowattstunden Solarstrom gutschreiben. Das Bestellportal neues Fenster erfreut sich grosser Beliebtheit bei Privaten wie Unternehmen neues Fenster: Rund 1200 St.Gallerinnen und St.Galler beziehen Community-Solarstrom. Jedes Modul lässt sich beim Kauf übrigens nach Wunsch benennen – und weitergeben: Zukunftsträchtiger werden Geschenke nicht.
